Das Buch ist vergriffen!
Obwohl oder gerade weil sein Werk von einzigartigem sprachlichen und erzählerischen Innovationsreichtum zeugt, ist Arno Schmidts (1914-1979) Literatur offensichtlich nur einem kleineren Lesepublikum bekannt und zugänglich: Seine Texte gelten als schwierig und erwarten vom Rezipienten ein hohes Maß an Belesenheit und Geduld, um den verschlungenen, einer subjektiven Realität entspringenden Gedanken und Assoziationen folgen zu können.
Auch wenn sich die Forschung bereits zahlreichen Facetten des Schmidtschen Werks zugewandt und die Dechiffrierung vieler Textstellen und Assoziationsketten hervorgebracht hat, wird ein wesentlicher Aspekt in den meisten Auseinandersetzungen erstaunlicher Weise vernachlässigt: Die Sprachverwendung des Autors und ihre Implikationen für Interpretation und Analyse.
In diesem Buch wird mit Hilfe des linguistischen Instrumentariums der Phraseologie der Frage nachgegangen, inwieweit sprachliche Formelhaftigkeit Schmidts basale Anliegen wie u.a. die Wiedergabe von authentisch wirkender Mündlichkeit und die Archivierung und Vernetzung von Kultur im Allgemeinen und Literatur im Besonderen befördert.
Anhand der Romantrilogie Nobodaddy’s Kinder wird veranschaulicht, wie bereits die Betrachtung eines Teilaspekts der sprachlichen Gestaltung des Schmidtschen Werks Aufschluss über das stilistische Vorgehen und insbesondere über die Zusammenhänge zwischen subjektiver und objektiver Realität geben kann.
Ulrike Preußer
Aufbruch aus dem beschädigten Leben
Die Verwendung von Phraseologismen im literarischen Text am Beispiel von Arno Schmidts Nobodaddy’s Kinder
Phrasemata III
2007
ISBN 978-3-89528-627-8
355 Seiten
kartoniert
Ulrike Preußer, geb. 1970, studierte an der Universität Bielefeld Germanistik und Philosophie und arbeitet dort heute als Lehrbeauftragte. Mit der vorliegenden Arbeit promovierte sie 2006 und erhielt dafür 2007 den Dissertationspreis der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft
Preußer [streicht] zu Recht die Polyfunktionalität und den kreativen Umgang Schmidts mit Phraseologismen heraus, die hier in einer Weise gebraucht werden, die über ihren Gebrauch in der Alltagssprache hinausgeht. Ihre modifizierte, spielerische Verwendung im literarischen Text führt so zu einem echten „Bedeutungs-Mehrwert“, der wiederum anregend auf die Rezipienten wirkt. Stefan Höppner in „literaturkritik.de“
[…] Ein wichtiger Schritt hin zur literaturwissenschaftlichen Integration phraseologischer Fragestellungen ist mit der 2007 veröffentlichten Dissertation von Ulrike Preußer gemacht worden. Die Autorin versteht es als Pilotprojekt […] und es ist in der Tat die erste umfassende Untersuchung dieser Art zum Einsatz von Phraseologismen im literarischen Werk eines Autors. In diesem auch im wörtlichen Sinne ausgezeichneten Buch – Preußer wurde der Dissertationspreis der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft verliehen – wird das literarische Werk Arno Schmidts (1914-1979) mit dem Fokus auf die Romantrilogie Nobodaddy’s Kinder nicht allein als Fundus für phraseologische Mehrwortverbindungen aufgefasst, sondern aufgefundene Phraseologismen werden stets kontextsensitiv erörtert. […] Der Zugewinn dieser Arbeit zu den drei Kurzromanen Brand’s Haide (1947), Schwarze Spiegel und Aus dem Leben eines Fauns (beide 1951) sind daher auf Seiten der Sprachwissenschaft als auch der Literaturwissenschaft zu verbuchen. […] Preußer eröffnet einen über die Trilogie hinausgehenden Blick auf die stilistische und narratologische Gestaltung von Schmidts Gesamtwerk, wodurch das Buch nicht allein für Phraseologieforschende Interessantes zu bieten hat. […] Preußer hat somit diese offenbar noch nicht gänzlich wahrgenommene linguistische Teildisziplin, die Phraseologie, mit ihrer aufschlussreichen Untersuchung angemessen ins Zentrum des Interesses rücken können und ein exemplarisches Pilotprojekt zur Integration phraseologischer Terminologie in die Literaturwissenschaft vorgelegt.
Nils Bernstein in „New German Review. A Journal of Germanic Studies“ (23/2008)